Bridgestones neuer Hypersportreifen zeigt im Härtetest auf dem Chang International Circuit, wie nah ein Straßengummi heute an echte Rennslicks heranrückt.

Mit dem neuen Bridgestone Battlax RS12 wollen sich die Japaner zurück ins Spitzenfeld der straßenzugelassenen Hypersport-Reifen schieben. Der Nachfolger des betagten RS11 verspricht deutlich mehr Rennstrecken-Performance, ein präziseres Vorderradgefühl und Gripreserven, die spürbar näher an einen aktuellen Slick heranrücken. Er ist die dringend notwendige Evolution für sportliche Fahrer, die auf der Rennstrecke wie auf der Landstraße maximale Performance suchen. Auf dem spektakulären Chang International Circuit in Buri Ram konnte ich den neuen Racing Street 12 unter harten Bedingungen testen.

Wozu ein fast Slick für die Straße?
Endlich bringt Bridgestone einen neuen straßenzugelassenen Racing-Gummi mit dem RS12 an den Start, nachdem der RS11 schon in die Jahre kam und nicht wirklich mehr im Markt stattfand – vielleicht noch als Erstausrüstung mit angepassten Eigenschaften auf der Yamaha R9. Natürlich kann man sich dabei immer fragen, wozu es solch einen Reifen für die Straße braucht, da es doch mit dem aktuellen Bridgestone Battlax S23 bereits einen Top-Straßenreifen mit toller Rennstreckenperformance gibt. Für mich gibt es hier jedoch drei klare Ja-Argumente: Erstens sieht solch ein Reifen auf einem Supersportler einfach nur gut aus. Zweitens eröffnet er einem die Möglichkeit, mit höchster Performance und Anfahrt auf eigener Achse in die Rennstreckenwelt einzutauchen. Und drittens macht er auch jede Kurvenjagd auf der Landstraße zu einem Genuss.
Technik – Was den RS12 wirklich ausmacht
Bevor es aber aufs Bike geht, etwas technischer Background zum Pneu. Mit dem Battlax Racing Street RS12 hebt Bridgestone seine Hypersport-Linie auf ein technisch neues Niveau. Der Reifen übernimmt wesentliche Elemente der aktuellen Rennreifen – von der Karkassenkonstruktion bis hin zu Mischungsbestandteilen. Dazu hat man aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt und die Profilgestaltung entsprechend gewählt. Alles wurde nun in einen straßenzugelassenen Rennreifen kombiniert.
Ein zentrales technisches Highlight ist die neu entwickelte HE-MS-Belt-Konstruktion am Vorderrad. HE steht für „High Elongation“, also hohe Dehnbarkeit, und genau hier setzt Bridgestone an. Im Vergleich zum herkömmlichen Mono-Spiral-Belt (MS Belt) wird die Stahlcordwicklung minimal weiter gelegt, wodurch die Vorderkarkasse spürbar elastischer reagiert. Diese höhere Flexibilität sorgt dafür, dass der RS12 mehr Kontaktfläche und eine gleichmäßigere Druckverteilung erzeugt – besonders beim harten Anbremsen und in der Schräglage.



Beim Profil setzt der RS12 auf ein modernisiertes, deutlich schärferes Layout. Auffällig ist – gerade im Vergleich zum Vorgänger RS11 – der Übergang zu breiteren Slick-Schulterbereichen, die den Reifen optisch wie funktional näher an die Rennstrecke bringen. Dadurch erhält der Reifen in sich mehr Stabilität und natürlich mehr Aufstandsfläche in Schräglage. Zudem wird der Verschleiß reduziert, da es weniger mechanische Belastung durch die seitlichen Rillen gibt. Eine Kontaktpatch-Analyse bei 50° Schräglage zeigte, dass der RS12 eine größere und konsistentere Kontaktfläche erzeugt als der RS11 – vorne wie hinten.


Neu gemixt wurde natürlich auch: Bridgestone arbeitet beim RS12 mit einer weiterentwickelten Version des bekannten 3LC-Mehrzonen-Compounds. Doch anders als beim RS11 geht man stärker in Richtung echter Rennmischungen. Dabei wurde das Verhältnis zwischen weicher Rennreifenmischung und langlebigem Straßengummi zum Vorgänger geändert. Vorne gibt es nun mehr Renngummi und hinten etwas weniger, was die Laufleistung erhöhen soll.
Auf dem Pannonia-Ring konnte bei einem Vergleichstest trotz geringerer Temperaturen eine 0,7 % schnellere Rundenzeit mit dem RS12 im Vergleich zum RS11 erzielt werden.
Turn 1 – Vertrauen schon in der ersten Runde
So, jetzt aber aufs Bike. Der Einstieg mit der Ducati V2S war bewusst entspannt gewählt – ideal, um den Kurs zu lernen und Rhythmus zu finden. Schon in den ersten Kurven fiel auf, wie präsent und zugleich gutmütig das Vorderrad arbeitet. Der Gummi war nicht vorgeheizt – performte aber vom Start weg da (ok, wir hatten 20 Grad). Sicher konnte ich noch nicht jede Ecke so angehen wie gewünscht, aber in puncto Feedback, neutralem Verhalten und Rückmeldung war alles perfekt. Besonders auf der Bremse war die V2S eine Wucht mit dem RS12. In puncto Traktion wurde er auf der V2S natürlich noch nicht so wirklich gefordert, dennoch vermittelte der Pneu ein sehr souveränes Feeling auf der Hinterhand. So wurden selbst die kniffligen Stellen des Kurses mit jedem Turn klarer, weil der Reifen verlässlich kommuniziert. Der RS12 harmonierte also schon mal hervorragend mit der Ducati V2S.

Turn 2 – Spürbare Performancesteigerung auf vertrautem Gerät
Mit der Fireblade wurde es dann schon deutlicher, was der RS12 im Stande ist zu leisten. Die Strecke war mir nun etwas vertrauter, und so konnte es mehr ans Limit gehen. Und dieses Limit ist brutal spät. Runde um Runde wurde es zu einem Genuss und fühlte sich fast wie eine Fahrt auf dem V02-Rennslick an – ok, ich übertreibe vielleicht etwas, doch der RS12 kommt nahe ran. Insbesondere auf der Bremse vermittelt er ein so feines und transparentes Feedback, dass es einen immer weiter pushen lässt. In puncto Traktion merkt man zwar beim digitalen Aufreißen, dass die Traktionskontrolle auch mal schnell unterstützt, aber der Vortrieb ist einfach nur brutal.
Turn 3 & 4 – Stabilität und Präzision auf höchstem Niveau
Die BMW S1000RR bestätigte den Eindruck der Fireblade. Der RS12 verhält sich auf der Bremse neutral, bleibt beim Herausbeschleunigen zuverlässig und vermittelt im gesamten Turn eine klare, nachvollziehbare Rückmeldung. Doch erst auf der GYTR-R1 zeigt sich, wie weit Bridgestone das Vorderradgefühl verfeinert hat. Das Einlenken fühlt sich fast nach einem Rennslick an, die Präzision beim Anbremsen ist beeindruckend, und die Sensibilität in tiefer Schräglage vermittelt eine Sicherheit, wie man sie sonst in dieser Form vor allem vom V02 kennt. Es entsteht der Eindruck, ein Rennreifen sei montiert – nur eben mit Straßenzulassung.
Und wie war es mit dem Grip im vierten Turn, welcher bei mehreren Gruppen nun bereits der zehnte war? Vorne noch immer unverändert und hinten mit einem leichten Drop, der im Vergleich zum RS11 aber nicht wirklich ins Gewicht fällt. Die Hinterhand fängt minimal mehr an zu sliden, was jedoch sehr gut kontrollierbar und transparent geschieht – und auch irgendwie viel Spaß macht.
Und wird es dann richtig heiß – am Mittag waren es weit über 30 Grad bei sengendem Sonnenschein und sehr hohen Asphalttemperaturen – so merkt man, dass der RS12 ein straßenzugelassener Reifen ist und etwas beweglicher wird. Dabei kündigt er den Grenzbereich schön an und bleibt weiterhin gutmütig und transparent.

Optik – endlich eine sportliche Silhouette
Auch optisch hat Bridgestone den RS12 auf ein neues Niveau gehoben. Die seitlichen Profilrillen des RS11 wirkten für einen Hypersportreifen inzwischen schlicht unpassend. Der RS12 setzt stattdessen auf glatte Flanken, kombiniert mit der minimal nötigen Profilierung in der Mitte. Das Ergebnis ist ein moderner, sportlicher Look, der perfekt zu leistungsstarken Motorrädern passt und dem eigenen Bike unmittelbar eine hochwertigere Anmutung verleiht. Der sogenannte „Slick-Bereich“ wirkt nicht nur schnell – er passt auch optisch zu dem Anspruch, den moderne Superbikes heute mitbringen.
Aufwärmen und Fahrbarkeit – direkt da, ohne Überraschungen
Trotz morgendlicher 20 Grad und völlig ohne Reifenwärmer zeigte der RS12 keine Unruhephase. Vom ersten Herausfahren an fühlte sich der Reifen stabil an, ohne Rutscher oder Zucken. Er baut Temperatur schnell und zuverlässig auf und vermittelt früh die nötige Sicherheit, um entspannt am Gas zu ziehen. Natürlich fühlt sich der RS12 – wie jeder sportliche Reifen – mit etwas Temperatur am wohlsten. Doch schon in den ersten Kurven ist er stabil genug, um Vertrauen aufzubauen, bevor er nach ein bis zwei Runden voll in seinem optimalen Fenster arbeitet. Dieser unkomplizierte Charakter macht ihn besonders attraktiv für Trackday-Fahrer, die ohne Heizdecken starten oder direkt auf Achse ohne viel Krempel zum Training fahren möchten.
Luftdruck – klare Empfehlungen statt Experimente
Auf der Rennstrecke funktionierten 2,1 bar vorne und 1,7 bar hinten im kalten Zustand hervorragend. Für die Straße sollte man sich eher an die 2,5 bar vorne und hinten orientieren. An heißen Tagen sind vorne gegebenenfalls 2,4 bar und hinten mit 2,3 bar möglich. Entscheidend ist, hier nicht weiter runterzugehen! Zu geringer Luftdruck führt zu deutlichem Performanceverlust am Start, einer nicht ausgewogenen Aufstandsfläche und zu einem insgesamt instabileren Verhalten – ein Punkt, der von allen Bridgestone-Technikern unisono bestätigt wurde.
Einsatzbereich – Rennstrecke ja, Alltag ebenfalls
Der RS12 eignet sich hervorragend für Fahrer, die regelmäßig sportlich unterwegs sind und gleichzeitig Wert auf ein alltagstaugliches Verhalten legen. Er verträgt hohe Belastung, bleibt auch über viele Turns konstant und könnte problemlos zwei intensive Trackdays überstehen, bevor er wieder auf der Landstraße weitergefahren wird. Und dort macht er nicht nur durch sein Fahrverhalten, sondern auch optisch eine ausgesprochen gute Figur. Im Nassen wird man sicher seine Abstriche machen müssen, aber wer sich solch einen Gummi draufzieht, will ohnehin nicht bei Wind und Wetter unterwegs sein.

Line-up & Verfügbarkeit
Der RS12 ersetzt den RS11 vollständig und positioniert sich an die Spitze der straßenzugelassenen Sportreifen. Während der S23 mit seinen drei Mischzonen etwas breiter für die Straße abgestimmt und somit ein herausragender Allround-Sportreifen ist, verlangt die Rennstrecke bei hohen Temperaturen und intensiven Turns noch mehr vom Gummi – mehr thermische Belastbarkeit, hohe Stabilität und eine gripstarke Herangehensweise, ohne einzubrechen, sowie eine Performance, die näher am Slick arbeitet. Genau dieses Feld deckt der RS12 ab. Die S-Serie (S23, S22, S21) bleibt weiterhin bestehen und deckt eher die Straße bzw. sportorientierte Alltagsnutzung ab.
Der RS12 wird preislich etwas über dem RS11 liegen und voraussichtlich ab Februar, rechtzeitig für die Saison 2026, in den Dimensionen 180, 190, 200/55 bzw. 120/70 im Handel sein. Leider werden alle Ducati-Panigale-V4-Fans mit ihrem 200/60 R17 erstmal nicht in den Genuss des RS12 kommen können.
Fazit – Ein Reifen, der Bridgestone wieder nach vorne bringt
Der Bridgestone RS12 ist ein außerordentlich harmonischer Reifen, der auf allen vier Testmotorrädern ohne jegliche Eingewöhnungszeit überzeugte. Er liefert ein herausragendes Vorderradgefühl, bleibt thermisch stabil, sieht extrem sportlich aus und kommt dem Gripniveau eines Slicks so nah wie kaum ein anderer straßenzugelassener Hypersportreifen. Der RS12 ist nicht nur eine Weiterentwicklung, sondern eine echte Wiederbelebung von Bridgestones Hypersport-DNA. Für mich war dieser Testtag der klare Beweis: Bridgestone ist zurück im sportlichen Spitzenfeld – der RS12 macht einfach Spaß.


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