Biester waren gestern, nun kommt das Monster – Ducati Monster 1200 R

Monster sind mächtig, Monster sind extrem stark, vor Monstern hat man im allgemeinen Angst. Leider galt dies für die 1200er Monster-Reihe von Ducati in den letzten Jahren nicht wirklich, denn bayrische Gustostückl´s oder österreichische Biester flößten der wachsenden Fangemeinde von Power-Naked-Bikes deutlich mehr Respekt ein. Dies soll sich 2016 ändern, denn die roten Monsterbauer aus Bologna wollen den superpotenten Nakeds von BMW, KTM und Aprilia mit der Monster 1200 R das Fürchten lehren.

Um der bevorstehenden Winterdepression jetzt schon entgegenzuwirken, präsentieren die Italiener ihren neuen Monstersprössling 1200 R bereits 6 Wochen vor der EICMA auf einer der wohl exklusivsten Rennstrecken dieser Erde – dem Ascari Race Resort in Südspanien. Basierend auf der doch eher sanften daherkommenden Monster 1200 S, wurde der R ein deutlich stärkeres 1198er Testastretta-Herz mit 160 Pferdestärken und bärenstarken 131 Newtonmeter implantiert, welches die zwei mächtigen im 90 Gradwinkel zueinanderstehenden Kolben desmodromisch ansteuert und bereits bei 7.750 Touren ihr Maximum durch die Adern pumpt. Dabei drückt das Aggregat schon bei gut 3.500 Touren rund 70% seiner Leistung und bietet dem Monsterbändiger so ein breites Spektrum für jede Fahrsituation an. Erreicht wurde diese Leistungsoptimierung durch eine höhere Verdichtung (13:1), größeren elliptischen Drosselklappen und einer aufwendigen Auspuffanlage die der neuen Euro 4-Abgasnorm gerecht wird.

Die Ducati Monsterfamilie

Monsterbewegung
In Reih und Glied stehen 16 von der Morgensonne angeleuchtet Monster 1200 R und warten darauf ihre Qualitäten auf dem sehr anspruchsvollen 5.425 Meter langen Circuito Ascari unter Beweis zu stellen. Auf extrem abwechslungsreichen, teilweise schon landstraßenähnlichen Passagen, werden hier nicht nur Spitzenleistung gefragt sein, sondern auch Wendigkeit und Dynamik aus engen Ecken. Sportlich aufrecht und gut integriert nimmt man in 830mm Höhe auf dem edlen, mit Modellbezeichnung versehenen und straff abgestimmten Sportsitzpolster Platz, winkelt die Beine angenehm ab und findet sicheren Tritt auf den sportlich gefrästen Aluminium-Fußrasten, die nun einzeln angebracht und nicht mehr mit den Soziusrasten gekoppelt sind.
Also, den tief im Tank integrierte Zündschlüssel – mit großen Händen und Handschuhen manchmal nicht ganz einfach zu greifen – nach rechts drehen, das sehr schön eingearbeitete TFT-Display erstrahlt in voller Pracht und gibt alle relevanten Informationen übersichtlich weiter, Starterknopf drücken und sofort erwacht das R-Herz mit potentem, nicht aufdringlichem aber doch einzigartigem Klang. Fahrmodus checken, steht auf Sport, also volle Leistung (es gibt noch den etwas sanfteren Modus Touring mit voller Leistung und den eigentlich unnötigen Urban mit 100 PS), Gang rein und ab zur Boxenausfahrt. Drei, Zwei, Eins, Los geht´s!
Die Monster 1200 R schiebt vom Start weg mächtig an und richtet ihren Blick unweigerlich in Richtung Himmel. Den breiten Lenker fest im Griff, geht es so über die erste Kuppe auf eine enge Linkskurve zu, nach der der Hahn auf einem kurzen geraden Stück voll aufgezogen werden kann. Vibrationsarm und faszinierend gleichmäßig, zieht das Aggregat aus niedriger Drehzahl an und überträgt dank der 200/55er Pirelli Diablo Supercorsa SP und der achtstufig einstellbare elektronische Traktionskontrolle die Kraft optimal auf den extrem griffigen Asphalt. Kurz vom Gas, wieder Links, schnell umlegen auf Rechts, geht spielerisch. Die 56 mm Drosselklappen voll öffnen, kurz links anbremsen, rein in die nächste Rechts mit blindem Ausgang, kurz ans Gas und nun den Anker für einen Rechtsknick werfen sowie einige Gänge runterschalten, was durch eine Slipper-Kupplung (verhindert ein stempeln des Hinterrad) unterstützt wird. Die zur S überarbeitete, straffer abgestimmte und mechanisch einstellbare 48 mm Öhlins Gabel, hält dabei perfekt Spur und hilft den Brembo M50-Monoblocks mit ihren mächtigen 330mm Scheiben das Monster optimal zu verzögern.
Gut, durchatmen! Rechts, kurz aufrichten und ab in eine super schnelle Passage mit dynamischen Richtungswechseln und einer extremen Anbremszone in der das 3-fach einstellbare Bosch ABS in der 9MP-Version seine Qualitäten voll ausleben kann. Leider verzichteten die Ingenieure auf das Bosch Kurven-ABS der Panigale, sodass man sich beim reinbremsen auf die gute Rückmeldung des mit 52% mehr belasteten Vorderrades verlassen musste.
Nun dürfen die oberen Gänge ran, denn am hintersten Punkt der Strecke warten zwei Geraden mit leichten Rechtsknicken, die voll gefahren werden können. Vollgas links raus, die Traktionskontrolle regelt unbemerkt und der einstellbare Öhlins Lenkungsdämpfer beruhigt das wieder in den Himmel gerichtete Vorderrad. Leider verzichteten die Herren von Ducati bei der Monster 1200 R auf ein hilfreiches Bauteil, den Schaltassistenten! Die Schaltvorgänge an sich funktionieren tadellos und ohne hakeln, dennoch erwartet der Kunde bei einem Gerät in dieser Preisklasse zu mindestens eine Schaltunterstützung beim Hochschalten oder gar einen Blibber wie in der 1299 Panigale. Aber auch ohne dieses Hilfsmittel bringt es die Monster 1200 R am Ende auf gut 220 Sachen, die tief gebückt hinter der kleinen Verkleidungsscheibe sicher länger machbar sind. Wobei die Geschwindigkeit, sowie alle anderen Informationen auf dem TFT-Display je nach Sonneneinstrahlung zu Ratespielen einlädt – es spiegelt doch extrem.
Wieder recht hartes Anbremsen in eine Rechtskurve, über die Curbs durch die Schikane und lange Links bergab zur nächsten Schikane bergauf hinein in die Steilwandkurve. Ein Teilstück in dem das Öhlins-Fahrwerk richtig gefordert wird und in seiner Grundeinstellung bei einem etwas höherem Fahrergewicht sicher Abstimmungsarbeitet notwendig macht. Ist diese jedoch getan, dann wedelt das Monster spielerisch über den Kurs und stöhnt nur manchmal, wenn der Schalthebel, Seitenständer oder Auspuffrohr bei harten Bodenwellen in Schräglage aufsetzt – dann ist man aber auch sauschräg!

Sexy Monster
Zurück an der Box, erste Fahreindrücke waren schon mal sehr vielversprechend, erwärmt nicht nur die Mittagssonne uns Tester und fokussiert die Blicke von oben auf die Line des R-Monsters. Auch das Ungeheuer selber wärmt den Betrachter von innen heraus. So wurde insbesondere die Linienführen im Frontbereich und am Heck deutlich schlanker als noch beim S-Monster, was zu einer sehr verführerischen Silhouette führt. Die geschmiedeten Marchesini-Felgen im Panigale 1299 Lock, Titanium-Nitrit-beschichtet Öhlins-Gabel, Echt-Carbon-Fender, Beifahrersitz-Abdeckung, LED-Lichtelementen rundum, edel geformte Anbauteile und einen wohl geformten Pentagonal-Sektion-Doppelschalldämpfer (der sicher leichter ausfallen hätte können), lassen das Monster entgegen der allgemeinen Wort-Definition, verführerisch erscheinen. Mit ihren voll fahrfertigen 207 Kilogramm (180 Kg Trocken), bewegt sich die Italienerin ganz oben in der Nackten Supersportler Liga.

Farblich geht die R neben dem klassischen ´Ducati Red´ mit weißen Elementen und entsprechend rotem Rahmen, welcher wie bei der Panigale als tragendes Element fungiert, für 18.390 Euro ins Rennen. Mit ´Thrilling Black´, grauen Elementen, einigen roten Linien und vor allem einem schwarzen ´Dark Chrome´ Rahmen für 200 Euro mehr neue Wege. (Zum Vergleich: eine BMW S1000R kostet in der Basisversion 13.350 Euro, die KTM 1290 Super Duke ist für 15.795 Euro erhältlich. Trotz der edlen Teile und Technik der Ducati – der Aufpreis zur Konkurrenz ist saftig.) Durch diverses Zubehör wie eine Termignoni Racing-Anlage, Ducati-branded Ausgleichsbehälter und Lenkergewichte in rot, geben dem Monster den letzten Stylekick.

Daumen hoch für die Ducati 1200 R

Monsterfazit
Zweiter Parte des Testrides, die Strecke ist langsam verinnerlicht, das Fahrwerk besser abgestimmt, der eh schon griffige Asphalt gut erwärmt und neue Pirellis aufgezogen. Bekanntes Spiel: drei, zwei, eins, Monsterspaß!

Sicherlich ist die Ducati Monster 1200 R als Landstraßenbrenner gedacht, doch auf dem Ascari-Kreisel überzeugt sie dank der perfekt kombinierten Öhlins- und Brembo-Technik fahrerisch auf ganzer Linie. Sie hat Power ohne Ende, setzt diese in jeder Lebenslage mit beindruckendem Vortrieb um und lässt den Monsterbändiger ganz einfach schnell fahren, richtig schnell. Optisch und Soundtechnisch haben die Italiener wieder einen Top-Job hingelegt und die R zu einem emotionalen Leckerbissen entwickelt, was über den fehlenden Schaltassistenten und das teilweise schlecht ablesbare Display schnell hinwegblicken lassen. Preislich spielt sie sicher in der Champions League, wobei man dafür auch eine Ducati mit dem entsprechendem Lebensgefühl bekommt. Ab Januar 2016 kann man sich selber überzeugen, dann soll die Monster 1200 R bei den Händlern stehen. Aber Vorsicht! Wer das R-Monster mal bewegt hat, der wird es nicht mehr loslassen wollen.

Monsterfilm

Fahrbericht für:
BikerSzene - Das Motorradonline-Portal

Text: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘ / Bilder: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Ducati

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  1. Ein Traum wird war – Ascari Race Resort – Kraftrad-Blog

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