Ja, mit so einem Hypersport Bike über die Landstraße zu flitzen oder auf der Hausstrecke die Ideallinie zu finden, ist sicher eine Art ne Fireblade zu bewegen neben dem eigentlichen Einsatzgebiet, der Rennstrecke. Aber tagelang Alpenpässe ohne Ende, enge Serpentinen und schmale Bergstraßen, dazu noch teils schlechte Straßen und die latente Gefahr – gerade in diesem Sommer – in den Regen zu kommen, ist nun nicht unbedingt die Bestimmung einer Fireblade. Im Rahmen des 20.Fireblade-Touren-Treffen 2024 konnte ich aber genau das mit der aktuellen CBR1000RR-R Fireblade SP, 10 Tage lang erfahren.
Der Weg zurück
Seit 1993 fahr in nun schon Fireblade und hatte in dieser Zeit jedes Modell – ok, bis auf die SC28 1994/95, als ich ein Jahr mal Kawasaki ZX9-R fuhr. In diesen mehr als 30 Jahren stieg die Fireblade zum Sinnbild des Supersportlers auf, verlor Honda dann aber Jahr für Jahr den Anschluss im Markt. Die letzte wirklich gute, für mich mit die beste Fireblade aller Zeiten, war die 2006er SC57 in ihrer überarbeitenden Version. Danach zeigten andere, wie ein Supersportler sein muss und gewannen nicht nur die Tests, sondern auch die Gunst der Käufer. Zwar war die SC77 zuletzt mega handlich aber was Sound, Speed und Emotionen anging, trumpften andere auf.
2020 dann die Ansage aus Japan mit der CBR1000RR-R SC82. Leistung satt, optisch ein Leckerbissen (Ja! Ist Geschmackssache), ein Sound, der teilweise infernal ist und Racetrack-Feeling aufkommen lässt, elektronischen Schnickschnack auf Höhe der Zeit und Qualität vom Feinsten.
Also war die Fireblade-Welt doch nun in Ordnung?! Ja, ach ne, eigentlich doch noch nicht! Denn nun hatte man es übertrieben. 299 km/h im 4.Gang, ab etwa 84 km/h öffnet die Auspuffklappe und man wird selbst beim zaghaften Überholen durch einen infernalen Rennstreckensound als Raser wahrgenommen, eine Sitzposition, die nur was für Liebhaber extremer Kniewinkel ist und eine Leistungsentfaltung im ersten Gang, bei der man von jeder 125ziger aus ner Serpentine raus versägt wird.
Um also chillig, mit dem nötigen Druck, Alpenpässe cruisen zu können, brauchte es ein Übersetzungsupdate – am besten hinten 2 Zähne mehr und vorne einen weniger. Leider nicht so einfach möglich, da die Elektronik sofort aussteigt und man keine manuellen Anpassungen direkt vornehmen kann. Schade auch, dass man selbst auf der Rennstrecke nicht mal schnell Reifendimensionen und Übersetzung ändern kann!
Solche Änderungen sind nur mit einer Umprogrammierung des Steuergerätes möglich, was zB. Holzhauer-Racing-Promotion (HRP) in verschiedenen Stufen anbietet und dabei auch die eine oder andere Kennlinie optimiert. Damit funktioniert dann alles, die Straßenzulassung und Honda-Garantie verliert man jedoch und die Auspuffklappe öffnet nun bereits bei gut 77 km/h.
Nun aber mal zu den Details der optimierte SC82 im Jahr 2024.
Die Übersetzung
Die Übersetzung kann man zwar noch immer nicht so ohne weiteres Ändern, aber nun passt sie deutlich besser. Zwar tut sie sich bis ca. 3.000 Touren noch immer schwer aus sehr engen Ecken raus, doch mit etwas angelegter Hinterradbremse und Gas, klappt das wunderbar und macht Laune ohne Ende. Ansonsten passen die Gangabstufungen super zum chilligen Touren, aber eben auch mal für nachhaltige Sprints. Gerade im mittleren Bereich, spürt man eine deutliche Leistungsverbesserung.
Der Quickshifter arbeitet butterweich in beide Richtungen, egal ob in Volllast oder auch mal beim Bummeln. Die Gasannahme ist sehr präzise und selbst bei langsamer Fahrt fein dosierbar und konstant.
Der Sound
Soundseitig hat man die Balance zwischen sportlichen Klängen und Rücksicht auf die Mitmenschen gefunden. Diesen Moment, der sich öffneten Auspuffklappe, gibt es nur noch ganz minimal und nun auch nicht mehr brüllend, sondern mehr als bassige Klänge, welche der Fahrer mehr wahrnimmt als seine Umgebung oder die hinter ihm Fahrenden.
Erreicht wurde dies unter anderem durch einen größeren Akrapovic-Endschalldämpfer – 1 Liter mehr Volumen. Fällt einem aber auch nur auf, wenn die Neue direkt neben der Alten stehen. Wirklich toll gelöst, ohne eine dicke Tüte zu verbauen.
Honda spricht hier von einer Reduzierung um 5 dB(A), was gerade in der Spitze eine erhebliche Verbesserung ist. Für einige Strecken in Tirol reicht´s dennoch nicht, da das Standgeräusch noch immer zu hoch ist.
Die Sitzposition
Was auch direkt ins Auge sticht, wenn beide nebeneinander stehen, die veränderte Rastenposition und Sitzgeometrie. Sie ist nun wieder etwas entspannter. Die Rasten sind 16mm tiefer und nicht mehr ganz so weit nach hinten versetzt. Dazu sind die Stummel 19mm höher und 23 mm enger positioniert, was einfach zu einer entspannteren Haltung führt.
Okay, ich persönlich bin ja eher der Fan solch sportlicher Sitzpositionen. Mich stören diese teils extremen Kniewinkel nicht, hab aber durch meine Größe gerade im Rückenbereich nicht ganz so die gebückte Haltung. Mit der nun gefundenen Position fühlt es sich aber wirklich sportlich entspannt an und lange Tagestouren sind nun auf keinen Fall mehr ein Problem.
Der Motor
Leistungstechnisch hat sich augenscheinlich nichts geändert. Sie hat noch immer 217 PS bei 14.000 Touren und ein Drehmoment von 113 Newtonmetern bei derer 12.000 Touren. Doch liefert das Dribble-R-Aggregat dies nun unter Euro5+ Bedingungen! So wurden bei Bohrung und Hub die Werte der RC213V-S mit 81 mm und 48,5 mm übernommen. Dazu stieg die Verdichtung von 13,4:1 auf 13,6:1 und bei den Einlassventilen spart man Gewicht durch die Verwendung von Titan. Im Grunde wurde jedes Teil im Motor nochmals angepackt und Gramm für Gramm optimiert – als Blaupause dienten die RC213V-S.
Um die Breite des Motors zu verringern, wird dieser nun an der Kupplungshauptwelle und nicht mehr an der Kurbelwelle gestartet, wodurch diese kompakter konstruiert werden konnte. Im Detail spannend finde ich, dass zB. durch die Verringerung des Abstandes zwischen Kurbelwelle, Gegenwelle und Hauptwellen das Gehäuse kleiner werden konnte und somit allein dadurch 250 Gramm Gewicht reduziert wurde.
Effizienter arbeitet er allemal, denn auf den täglichen Touren, konnte man selbst bei flotten Runden den Verbrauch zwischen 5 und 6 Litern halten, was bei einem 16,5 Liter großen Tank – er hat nun 0,4 Liter mehr als vorher – gut 250 Kilometer lange Stints zulässt.
Die Elektronik
Throttle by Wire ist ja nicht wirklich mehr wegzudenken. Doch nun nutzt Honda dies und steuert seine Drosselklappen unterschiedlich an und kann so den Öffnungswinkel je nach Fahrzustand besser regeln. Dadurch lässt sich die Leistung vor allem im unteren Drehzahlbereich und insbesondere bei minimaler Gasstellung präziser steuern. Mit steigender Drehzahl gleichen sich die Winkel immer mehr an. Bei teurer Rennstrecken-Elektronik schon lange im Einsatz, ist es für ein Serienbike schon ein Highlight.
Die in 9 Stufen einstellbare HSTC (Honda Selectable Torque Control), wurde bereits 2022 deutlich optimiert und nun weiter an das neue Aggregat und Übersetzungsverhältnis angepasst.
Auch 2024 wird es wieder drei Standardfahrmodi mit entsprechenden Einstellwerten geben. Dabei arbeitet Power (P) in 5 Stufen, wobei Stufe 1 hier die volle Leistung anbietet. Die Motorbremse (EB) regelt in 3 Stufen die Leistung bei geschlossenem Gasgriff, wobei Stufe 1 hier die stärkste Motorbremse darstellt. Die Wheelie Control (W) arbeitet ebenfalls in 3 Stufen, wobei hier die Stufe 1 den geringsten Eingriff des Systems darstellt.
Das Chassis
Aktuell fahre ich ja noch die aller Erste SC82 – die erste Lieferung. Das Ding liegt sowas von stabil, da der Rahmen sehr steif konstruiert wurde. Auf der Rennstrecke, gerade bei schnellen Richtungswechseln, merkt man diese Steifigkeit und das mehr an Kraftaufwand. So verhält es sich auch auf der Landstraße bei vielen aufeinanderfolgenden Kurven – man muss schon ein bisschen arbeiten.
Dies wurde nun bei der 2024er nachjustiert, indem auf die versteifenden Innenrippen verzichtet und der Dünnwandbereich etwas erweitert wurde. Dazu wurde der wunderschön verarbeitete Aluminiumrahmen in Querschnitt und Form weiter optimiert. 960 Gramm Gewichtsersparnis brachten die Maßnahmen in Summe. Dazu noch kürzere Halteschrauben für den Motor, was nochmals 140 Gramm brachte!
Und um noch zwei Werte zur Verdeutlichung der Maßnahmen zu nennen: Die Torsionssteifigkeit wurde durch die Modifikationen um 15 Prozent reduziert, die Seitensteifigkeit um derer 17 Prozent.
Das Fahrwerk
Gleich mal vorneweg – für mich derzeit Benchmark beim Serienbike! Gerade die SP mit ihrem Öhlins der 3.Generation, bringt selbst bei schlechten Straßen ein unfassbar gutes Gefühl für´s Fahren rüber. Also wenn man zwischen den guten mechanisch einstellbaren Showa Komponenten und dem Öhlins am überlegen ist – greif zur SP und zu Öhlins!
Die CBR1000RR-R Fireblade SP ist übrigens das erste Serienbike der Welt, welches diese neue Generation an Öhlins 43 mm NPX USD-Gabel S-EC 3.0 (SV) und TTX36 S-EC 3.0 (SV) Stoßdämpfer verbaut hat. Über die OBTi Control Software lässt sich das Fahrwerk vollelektronisch steuern und exakt auf die eigenen Bedürfnisse einstellen. Neu ist nun, dass das Fahrergewicht im Federvorspannungs-Guide direkt eingegeben werden kann – allerdings endet die Skala bei 100 Kilogramm.
Die Verkleidung
Markanteste Änderung liegt bei den Winglets – auf der Straße zwar nur eine optische Spielerei, helfen sie auf der Rennstrecke, entsprechenden Abtrieb zu erzeugen und das Vorderrad stabiler am Boden zu halten. Bei der Alten war die seitliche Verkleidung vorne einfach „erweitert“ und mit Flügeln im inneren Versehen. Jetzt ist es nur noch ein dezenter Flügel unterhalb der Scheinwerfer, der sich sehr harmonisch in das Gesamtbild einfügt. Insgesamt wirkt die 2024er nun etwas sportlicher und nicht mehr ganz so bullig. Nicht direkt zu erkennen ist die etwas tiefer angebrachte Tankabdeckung oben – fiel mir nur beim Helmablegen auf, da er etwas schräger lag als noch auf meiner ersten SC82. Aber optisch – und dann auch noch in den HRC Farben – ein echter Hingucker. Sie kann´s beim Schönheitswettbewerb auf jeden Fall mit allen aufnehmen.
Fazit
Ich komm nochmals zurück auf 2006 als die damalige SC57 überarbeitet wurde und für mich die Beste Feuerklinge aller Zeiten war. Nun mit der überarbeitet SC82, hab ich genau wieder das Gefühl, das Gefühl einer tollen Fireblade, die nun Ready to Race ist und auf der Straße einfach nur Spaß macht.
Und ja, brauchen tut man solch ein Leistungsmonster nicht auf der Straße, aber man braucht so vieles im Leben nicht und hat es trotzdem gerne. Supersportler gehören auch auf die Straße und ich bin glücklich, dass Honda weiter daran festhält und es nicht einigen anderen Herstellern gleichtut und den europäischen Markt verlässt.
Rundum ein wunderschönes Bike, mit einem brutal druckvollen Motor, einem Fahrwerk, das im Serienbereich seinesgleichen sucht, einer Geräuschkulisse, die jedem gerecht wird und einfach nur herrlich beim Fahren ist. Dazu eine Sitzposition, die chillig-sportlich ist. Nur der Preis trübt die Freude ein wenig.
Einige Impressionen der Honda CBR1000RR-R Fireblade SP beim 20.Fireblade-Touren-Treffen 2024
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