Yamaha YZF-R1M im Landstraßentest

Seit 1998 prägt das Kürzel R1 den Supersportmarkt. War sie damals der Inbegriff eines Supersportlers und Benchmark für lange Zeit, ist sie heute neben der S1000RR eine der (gefühlt) meist gefahrene Bikes unter Hobbyracern. Bei inzwischen neun Modellgenerationen schaffte es Yamaha immer wieder nachzulegen und die YZF-R1 an der Spitze zu halten. Gerade in der „Superbike-Trockenperiode“ ab 2010, blieben die Japaner am Ball und entwickelten ihre R1 weiter zum Rennbike für die breite Masse, aber eben auch für ambitionierte Racer. Ende 2019 war es dann auch wieder Yamaha, die als Erster ihre Superbike-Ikone EURO5-tauglich machten. Und da ich gerne mit solch heißen Geräten auf Landstraßentour gehe, durfte die 10.Generation der R1, in der edle M-Ausführung, im Alltag und auf einer Schwarzwaldtour zeigen was auf normalen Straßen alles möglich ist.

Sicher werden jetzt einige die Hände überm Kopf zusammenschlagen, wenn sie sehen wie man mit einem Racebike, dessen erster Gang bei 150 Kilometer pro Stunde und Zweiter bei derer 190 endet, mit knapp 100 Kilometer pro Stunde über die Landstraßen cruist. Kann ich verstehen, denn dafür sind solche Geräte in Erster Linie nicht konzipiert, was man oft zu spüren bekommt. Aber dennoch macht es mir einen riesen Freude, gerade damit durch die Gegend zu flitzen und unser Hobby zu genießen. Sicher wäre eine MT10 hier bequemer, aber allein der Anblick beim Kaffeestopp auf solch ein wunderschönes Racebike entschädigt.

Markante Optik und edle Verarbeitung – die Yamaha YZF-R1M

Innen wie Außen ein Hingucker

Und wunderschön ist die R1M allemal! Allein das edle Carbon-Kleid mit den gebürsteten Alu-Look am Tank, der individuell eingravierter Produktionsnummer und einer silbernen Grundfläche vorne auf der eine Startnummer sicher gut zur Geltung kommen, verzaubern und lassen einen die Blicke nicht von ihr nehmen. Dazu perfekt eingesetzte Akzente in typischem Yamaha-Blau und schlussendlich Felgen in leicht mattem Blaulook eingefasst von goldglänzenden Öhlins-Gabeln, runden das Gesamtbild perfekt ab.

Unter diesem bezaubernden Kleid arbeitet ein 200 PS starkes, 998 Kubikzentimeter großes, 4-Zylinder-Crossplane-Agregat. Im Zuge der EURO5 Umstellung wurde der bereits sehr erfolgreich arbeitende Motor weiter auf Effizienz getrimmt, was unter anderem durch spezielle Bosch-Einspritzdüsen erreicht wurde. Diese sollen einen weitaus größeren Einspritzwinkel abdecken, wodurch das Benzin-Luft-Gemisch harmonischer im Brennraum verteilt werden kann. Hierdurch erreicht Yamaha eine noch gleichförmigere Leistungsentfaltung in Kombination mit ihrer speziellen Zündreinfolge von 270° – 180° – 90° – 180°. Dazu sorgt das, eigens auf die R1M abgestimmte, semiaktive Öhlins-Fahrwerk für perfekten Kontakt der Bridgestone RS11 Gummis mit dem Asphalt.

Perfekt Connected ist man bei der M-Variante aber noch auf eine ganz andere Art und Weise. Mit der eigens programmierte Yamaha-App lassen sich sämtliche Daten der sehr harmonisch abgestimmten Elektronik auslesen und analysieren – für die Straße jetzt nicht so entscheidend, aber doch irgendwie cool!

Das könnte man besser machen!

Also technisch und optisch passte schon mal alles – fast alles. Vor der ersten Fahrt, natürlich Luftdruck kontrollieren. Was stell ich mit Entsetzen fest? Dieses formschöne Gerät hat keine Winkelventile! Gerade am Vorderrad hat man mit den Tankstellenprüfern schon ein gepfriemel – darf gar nicht dran denken, was hier passiert bei heißen Bremsscheiben!

Nachdem dieser Schock verdaut war ging´s bei sommerlichen Temperaturen durch Stuttgart zum Fotoshooting, recht viel los in der Stadt und gleich der nächste „kritische“ Punkt – die Temperatur steigt in grenzwertige Höhen. Gerade bei langsamer Fahrt, steigt die thermische Belastung extrem an. Dies stelle ich auch bereits bei Freunden auf der Rennstrecke nach Rückkehr in die Box fest – sobald Fahrwind fehlt und man steht, entwickelt sich extrem viel Wärme, die nicht abtransportiert wird. Hat man die Stadt hinter sich gelassen und gibt dem Kühler etwas mehr Wind, so kühlt die R1M extrem schnell wieder weit unter 80 Grad runter.

Ok, wenn wir schon bei Auffälligkeiten sind – man rollt so durch die Stadt und will das Menü durchblättern, was aber teilweise nur mit einem Rollrad am rechten Lenker möglich ist. Irgendwie ergonomisch nicht optimal platzziert und durchdacht! Dazu muss man auf dem zwar gut ablesbaren Display die jeweiligen Werte etwas suchen und wird recht stark vom Verkehr abgelenkt. Hier merkt man schon, dass dieses Gerät für die Rennstrecke konzipiert wurde. Aber das war´s mit nörgeln!

Keine Winkelventile
Schwer zu bedienen rechts
Kein Keyless-Go

Wie fährt sie nun?

Also lassen wir mal die Stadt hinter uns und gehen raus auf´s Land. Hier kommt nur noch Freude auf! Die Gasannahme ist traumhaft und das Ride-by-Wire System in Kombination mit der fein abgestimmten Elektronik, regelt jedes noch zu beherzte Angasen unauffällig ein. Man hat extrem schnell ein Urvertrauen in das komplette Gerät und muss sich quasi laufend selbst einbremsen um noch halbwegs StVZO-Konform unterwegs zu sein. Und egal bei welchen Drehzahlen man ans Gas geht, die R1M zieht locker durch und verzeiht auch sehr untertouriges Fahren.

Fahrwerksseitig braucht man sich, selbst auf kleinen Schwarzwaldstraßen die schon länger keine Teermaschine mehr gesehen haben, nicht fürchten und kann die Tour einfach nur genießen. Gerade das Öhlins Federbein verrichtet tolle Arbeit und tut alles, dass der RS11 seinen maximalen Gripp abrufen kann. Ich muss hier auch wirklich den Bridgestone Gummi lobend erwähnen, der hervorragend harmoniert und selbst nach einen Kaffeestopp sofort seine Arbeit wieder verrichtet. Einen Top Job verrichtet auch die Bremsanlage. Diese ist so feinfühlig und nachdrücklich, eine wahre Freude. Selten so ein feines Feedback über Traktion und Fahrverhalten bei solch einem Powerpaket erhalten – wow!

Sitzergonomie passt bei meinen 193 Zentimeter hervorragend und ermöglicht auch wirklich lange Touren. Klar, an eine einfache Gepäckverstauung ist hier nicht wirklich zu denken, doch kann man sicher mit Rucksack auch mal 3 Tage so verreisen.

Sprittechnisch ist die R1M nicht ganz so zimperlich und drückt 6,3 Liter auf 100 Kilometern durch die Brennräume, was aber angesichts des Spaßfaktors vollkommen im Rahmen ist. Die oftmals bemängelte Tankanzeige störte mich persönlich nicht, da ich es gewohnt bin alle 230 Kilometer mit einem Sportler zu tanken.

Fazit

Radikales Rennstreckenbike und Landstraßengebummel schließen sich nicht aus. Mit der R1M durch den Schwarzwald cruisen, auf verschlungen Straßen auch mal ordentlich Zug an die Kette anlegen, machte mächtig Spaß. Dabei überfordert einen das Powerpaket nie und belohnte mit schönem unaufdringlichem Sound. Einzig der Stadtverkehr sollte gezielt umfahren werden. Also, nehmt dieses Bike nicht nur für die Renne her!

Kurzcheck

Positiv

  • Mächtiger Motor mit super Gasannahme
  • Einzigartiger Sound, der nicht aufdringlich wird
  • Extrem gut abgestimmtes Fahrwerk
  • Elektronik die keine Wünsch offen lässt
  • Auch 193cm finden gut Platz auf ihr
  • Edel verarbeitet

Negativ

  • Unpraktische Menübedienung rechts
  • Keine Winkelventile / kein Keyless-Go
  • Kühlwassertemperatur im Stadtverkehr kritisch
  • 98 dB(A) Standgeräusch, aber nicht laut im Fahrbetrieb

Bilder vom Landstraßentest der Yamaha R1M

Fotos. Rainer Friedmann „Kraftrad“

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