Mit Sozius auf lange Touren gehen, viel Gepäck mitnehmen und bequem reisen, dabei das Gefühl von Supersport erleben und bei einer Runde mit den Jungs auch mal wieder ordentlich am Kabel ziehen können. Das ist kein Wiederspruch, das ist die BMW S 1000 XR in ihrer neuen Form für 2020. Ich durfte Ende Januar, BMWs Version eines Adventure-Bike im Süden Spaniens ausgiebig testen – hier schon mal meine Eindrücke im Schnellcheck.
Der erste Anblick
Die XR ist zu ihrer Vorgängerin optisch schon mal deutlich agiler und sportlicher geworden. Sie wirkt deutlich aufgeräumter und weniger mächtig. Insbesondere die Front blickt einen rassiger an und unterstreicht den Sportler in ihr. Die Linienführung ist deutlich ansprechender und dynamischer als beim letzten Modell und insbesondere der kleinere Schalldämpfer tun der Seitenansicht gut.
Supersport-Aggregat für die Straße
Die XR basiert auf dem aktuellen Doppel-R Motor, allerdings ohne Shift-Cam Technologie, da auf der Straße jenseits der 5-stelligen Drehzahlregionen selten sich dauerhaft bewegt wird. Das Aggregat leistet hier 165 PS bei 11.000 Touren und zieht bei 9.250 Touren mit 114 Newtonmetern an der Kette. Insgesamt ist der nutzbare Drehzahlbereich sehr groß, sodass bereits im Drehzahlkeller ab 3.000 Touren ordentlich Zug anliegt.
Der Motor dreht seidenweich, ohne jegliche Vibrationen durch das komplette Drehzahlband und schiebt die XR in allen Lagen nachdrücklich voran. Mit dem Schaltassistent, der hoch wie runter eingesetzt werden kann, lassen sich die Gänge wie auf der Rennstrecke präzise durchballern und das Bike gefühlt ohne Schubunterbrechung antreiben.
Für die Langstreckentauglichkeit haben die bayrischen Entwickler kurzerhand die Gänge vier bis sechs länger übersetzt, sodass man chillig mit wenig Drehzahl übers Land rollen kann. Dies reduziert zum einen den Lärm und spart nebenbei Sprit. Dennoch kann man auch bei 100 Km/h absolut schaltfaul im 6.Gang überholen, da das drehfreudige Triebwerk ausreichend Druck und Leistung in der Hinterhand hält um hier noch immer mächtig anzuschieben – und dies ohne Murren und ruckeln.
Ohne Elektronik geht´s heute nicht mehr
Wo viel Leistung im Spiel ist, brauchts auch Helferlein, die einen bei jeder Situation unterstützen können. Und hier fehlt´s an nichts – wirklich nichts! Entspannt und gemütlich im „Rain“ oder „Road“ Modus die Gegend genießen, doch etwas dynamischer im „Sport“ oder „Dynamic“ Modus um die Ecken flitzen oder eben angriffslustig im „Dynamic Pro“ Modus die Hausstrecke rocken. Egal welchen man einlegt, man spürt direkt die Veränderungen im Bike. Wer es dann noch wissen will, der konfiguriert im Pro-Modus seine Parameter und kann sich richtig ausleben und viel Spaß haben. Insbesondere die Wheelie-Kontrolle ist eine Augenweide – selten so eine perfekt abgestimmtes und weich eingreifendes Assistenzsystem erlebt – Klasse.
Einstellen lässt sich alles über das sehr gut ablesbare Bosch TFT Display, welches intuitiv bedienbar ist. Wie auch schon bei der Doppel-R, werden alle Parameter leicht verständlich beschrieben, sodass man sich schnell zurechtfindet. Die Connectivity-Funktion in Zusammenspiel mit der BMW-App für iOS und Apple bringt hier nicht nur nützliche Features mit sich, sondern helfen auch beim Nachvollziehen seiner Tour.
Alles nutzlos ohne Top Fahrwerk
Leistung und elektronische Hilfsmittel sind ja recht und schön, doch ohne funktionierendes Chassis und Fahrwerk nutzlos! Hier haben die Bajuwaren richtig nachgelegt. Bei Rahmen und Schwinge wurden satte 2,1 Kilogramm eingespart, 1,8 Kilogramm sind die Felgen leichter geworden und beim Motor, der nun noch mehr als tragendes Teil fungiert, konnten gar 5 Kilogramm abgespeckt werden. Insgesamt bringt die 2020er XR über 10 Kilogramm weniger auf die Waage als ihre Vorgängerin.
Durch die direkte Anlenkung des Federbeins, konnte ein sehr sensitives Ansprechverhalten erzielt werden, dass gepaart mit der stärker gewordenen Gabel ein direktes und feinfühliges Gefühl erzeugt. Ein Supersport oder Power-Naked Bike Fan wird sich wundern, wie knackig und direkt ihr Fahrwerk arbeitet. Darüber hinaus sind die Massen so ausgewogen und tief platziert, dass schnelle Kurvenkombinationen spielerisch und voll auf Zug gemeistert werden.
Wir hatten das optional erhältliche Dynamic ESA Pro an Board, wodurch zwei Dämpfungsmodi und ein automatischer Beladungsausgleich zur Verfügung stehen. Insbesondere im Dynamic Dämpfermodus gibt´s ein knackiges, Superbike ähnliches Feeling. Und ist man dann doch mal zu optimistisch in die nächste Ecke reingestochen, dann hilft das unaufgeregt arbeitende Schräglagen ABS aus der Patsche.
Gerade auf schnellen und verwinkelten Bergstraßen, hilft einem zusätzlich die sogenannte Motor-Schleppmoment-Regelung (MSR), die bei abrupter Gaswegnahme das rutschen des Hinterrades verhindert. Dazu unterstützt die leichtgängigere Anti-Hopping-Kupplung das flotte zurückschalten vor der Kurve, was einem Sicherheit und Präzision bietet.
Angenehmer Sound und doch Emotion
Soundtechnisch hat BMW alles richtig gemacht. Die XR kommt kernig und sportlich rüber, ist aber zu keiner Zeit nervig oder gar aufdringlich. Hatten wir in den letzten S1000-Reihen noch teils nervige Schaltschläge, so wurden diese zwar nicht eliminiert, aber auf ein sehr angenehmes Maß reduziert. Und das ist gut so, denn wir als Motorradbegeisterten müssen gerade bei ausgiebigen Touren, die Umwelt nicht mit unnötigem Lärm verschmutzen, dürfen dabei aber doch ein sportliches Feeling für uns selbst erleben.
Kurzfazit
Wer sportlichen Reihenvierer gepaart mit bequemer Sitzposition und Tourentauglichkeit sucht, der wird mit der XR sein Bike finden. Selten so entspannt und doch so sportlich unterwegs gewesen wie hier. Dazu gibt´s jede Menge nützliche und durchdachte Features die einem und gegeben falls der Begleitung den Tag versüßen. Und selbst bei einem Track-Day, wird man mit ihr eine gute Runde drehen können.
Bilder vom BMW S 1000 XR Test in Almeria
Fotos: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Daniel Krause
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