Metzeler Sportec M9 RR – Sportlicher Alltagsgummi

Immer leistungsstärkere Motorräder und vielfältige Alltagsanwendungen, fordern Motorradreifen einiges ab. Metzeler hat hier mit dem Sporttec M7 RR seit 2013 einen extrem starken Pneu am Start, der eine Vielzahl an Testsiege und Empfehlungen seither einsammelt. Nun ist es aber an der Zeit, den weiter gestiegenen Anforderungen eine neue Antwort zu präsentieren – den Sporttec M9 RR. Im südspanischen Hinterland Rondas sowie auf wohl einem der spektakulären Racetracks, dem Ascari Race Resort, durfte ich die Kontaktfreude des Nachfolgers ausgiebig testen.

Die sogenannten Hypersportreifen reklamieren in Europa und Nordamerika über 41% Marktanteil für sich und sind somit ein lukratives Segment der Reifenhersteller. Aber auch ein sehr sensibles, da die Kundschaft viel fordert und wenig verzeiht. Die Anforderungen sind klar definiert – Grip ohne Ende auch bei 200 PS Geräten, Handling vom feinsten, eine Laufleistung die den Geldbeutel schont und Alltagstauglichkeit in allen Lebens- und Wetterlagen.

Neues aus der Giftküche

Bereits hier fängt der Spagat an! Denn um guten Nassgrip und Funktion bei Kälte zu erzeugen braut es viel Kieselsäure, also Silica im Reifen, was wiederum bei Dauerbeanspruchung und Hitze kontraproduktiv sein kann – so die Theorie früherer Zeiten. Moderne Chemie und ausgeklügeltes Atome verschieben im Labor, lassen diese Gegensätze verschwinden und so geht der M9 RR mit einer Vollsilica-Mischung an den Start. Einer harte, sehr stabilen auf den Laufflächen sowie einer gripfähigen an die Flanken. Metzeler setzt also auf eine klassisches Dual Compound Reifen.

Hinten wendet man dabei die sogenannte Cap & Base Technologie an, bei der die Reifenbasis sowie Lauffläche aus einer harten Mischung besteht, die nun 24% mehr Silica beinhalten soll als beim noch beim M7 RR. Auf diese Mischung wird dann an den Flanken eine deutliche weichere „aufgelegt“. Dies erzeugt Stabilität, garantiert aber auch das nötigen Spaßpotential. Vorne trennt man dagegen klar zwischen der harten und weichen Mischung ab, wobei in den Flanken noch weitere hitzebeständige Harze eingemischt wurden.

25% der Lauffläche am Hinterrad besteht aus der harten Mischung und jeweils 37,5 % an den Flanken sind weich ausgelegt. Das Vorderrad ist gleichmäßig zu jeweils 33% aufgeteilt

Das Ergebnis bei internen Tests lässt sich sehen. Auf dem 5 Kilometer langen Autodromo di Pergusa, erzielten man mit der BMW S 1000 RR, 3,4 Sekunden schneller Rundenzeiten im Vergleich zum M7 RR. Insgesamt konnten 4,5% mehr Vollgasanteil verzeichnet werden und die maximale Schräglage stieg um 2,6 Grad auf 51 Grad. Beim Thema Nassgrip legte man ebenfalls ordentlich zu, so ging es 1,8 Sekunden schneller und 2 Grad schräger auf dem Wachauring ums Eck als mit dem M7 RR. Und in Punkto Bremsweg spart der 9er zum 7er einen halben Meter aus 85 Km/h ein.

Sportliches Profil mit vielen Aufgaben

Mischung ist das eine, Kontur und Form eines Reifen der andere entscheidende Faktor. Blickt man direkt auf den M9 RR, so erkennt man das, an den griechischen Buchstaben „PI“ angelehnte, typische Sportec-Profildesign. Die Rillenanordnung sehen aber nicht nur gut aus, sondern sind ein Ergebnis technischer Notwendigkeit. So sollen die neu veränderten Profilabschnitte das Wasser natürlich optimal aufnehmen (grundsätzlich verdrängt ein Reifen kein Wasser, sondern nimmt es in sich auf), aber durch ihre Beweglichkeit in sich erhöhen, was die wiederum Aufwärmphase verkürzt. Vom Racetec RR hat man die hakenförmigen Rillen übernommen, da diese zu mehr Geradeauslaufstabilität führt und die Wasseraufnahme unterstützt.

Der Metzeler M9 RR, nur ganz leicht angefahren, vor dem ersten Ausritt auf der Fireblade

Vertieft man sich weiter in die Optik des Reifens, so kann man ab 35 Grad Schräglage sicher von einem extrem sportlich orientierten Pneu ausgehen, da zum einen der Negativanteil einem profilierten Rennreifen gleicht und an den Flanken ein zum Vorgänger vergrößerter Slick-Bereich für Grip sorgt.

Steifere Karkasse und doch mehr Eigendämpfung

Ok, Grip haben wir schon mal. Aber wie schaut´s mit dem Handling aus? Zum einen sprechen wir von Beweglichkeit in sich, zum anderen soll ein Reifen neutral bleiben, sich einfach umlegen lassen, wenig bis kein Aufstellmoment erzeugen, dazu viel Rückmeldung bieten und bei hohen Geschwindigkeiten sauber geradeaus laufen – sind schon spannende Anforderungen.

Hauptarbeit hierbei muss die Karkasse eines Reifens übernehmen. Metzeler hat selbige komplett überarbeitet und die Steifigkeit der quer zur Laufrichtung angebrachten Rayon-Struktur-Seilen (sehr strapazierfähige Kunstfaser) deutlich erhöht sowie etwas dicker ausgeführt. Durch diese Maßnahme, konnte die einzelnen Seile jedoch mit etwas mehr Abstand eingelegt werden, sodass mehr Gummimasse im Reifen platz findet, was die Eigendämpfung erhöhen soll.

Knackig und sportlich über´s Land

Das liest sich alles hervorragend und ist im Gespräch mit Entwicklern und Verantwortlichen von Metzeler auch immer schön erzählt, doch die Wahrheit liegt auf der Straße und wird durch unsere Hände gesteuert. Um hier gut vergleichen zu können, entschied ich mich für den ersten Teil des Testtages – 130 Kilometer Landstraßenrunde rund um Ronda bis weiter über 1.000 Meter Höhe, auf verschlungenen Wegen, die Asphaltseitig sicher schon bessere Zeiten hatten – für die letztjährige Fireblade. Auf ihr hatte ich bereits den ein oder anderen Reifen montiert, sodass ich schnell die Unterschiede spüren konnte.

Knackig und sportlich am Gas mit dem M9 RR = Road Racing

Wir hatten zirka 8 Grad, noch ordentliche Bewölkung am Morgen und startet mit absolut kalten Reifen. Nach rund 10 Kilometern Landstraßengerolle, ging es ab ins Kurvenlabyrinth und hier knüpfte der M9 RR gleich an die Qualitäten seinen Vorgänger und begeisterte mit hohem Maß an Vertrauen. Besonders das Vorderrad bot sofort eine klare und straffe Rückmeldung, ohne jedoch unkomfortabler zu wirken. Man konnte einfach sofort losflitzen und dachte gar nicht mehr daran, dass A der Gummi komplett neu war und B es noch ordentlich schattig zuging. Selbst eine sportlich und etwas optimistische Linienwahl, konnte unspektakulär nachjustiert werden. Das Aufstellmoment dabei konnte absolut vernachlässigt werden. Bei der Hälfte kam die Yamaha MT10 zum Einsatz, welche mächtig am Hinterrad zog ohne dabei aber laufend die Traktionskontrolle nutzen zu müssen. Und auch bei ihr gab es quasi kein Aufstellmoment!

Natürlich ist der M9 RR ein sehr knackiger und straff abgestimmter Reifen. Aber nur so kann sportlich attackieren und ein tolles Gefühl entwickeln werden. Und hier muss ich das Vorderrad besonders herausheben, da es sehr neutral führt, schnelle links/rechts Wechsel spielerisch zulässt, kein Mischungsübergang spürbar ist und man sich aber in Schräglage schön „anlehnen“ kann. Rundum ein sehr transparentes und sattes Gefühl.

Man vergisst, dass es ein Straßenreifen ist

Inzwischen waren es angenehme 22 Grand, die Sonnte strahlten zusammen mit den Gesichtern der Tester um die Wette und auf dem Ascari-Asphalt, der leider den ein oder anderen Altersflecken hat, herrschten sicher über 30 Gard. Vier Sessions waren geplant, drei im Trockenen und eine im Nassen.

Über 200 PS fordern ordentlich, überfordern aber den Metzeler M9 RR nicht

Zu Beginn wählte ich die BMW S 1000 RR, danach Triumph SpeedTriple RS und zum trockenen Abschluss die neue Yamaha R1. Und auch hier war ich wieder von der Stabilität und Transparenz des Vorderrades begeistert. Ich ertappte mich des Öfteren dabei zu vergessen, dass wir einen Straßenreifen testeten. Dies brachte den M9 RR bei einigen optimistischen Beschleunigungsphasen aus den Ecken, mit einem 200PS-Gerät, an seinen Grenzbereich. Diese kündigte sich aber so butterweich und schön an, dass man verleitet war es absichtlich etwas „driften“ zu lassen.

Eine Traum Kombination – SpeedTriple RS mit M9 RR

Erstaunlich war am Ende des Tages, dass der Verschleiß (wir fuhren mit jeweils 2,5 Bar) trotz dauernder Malträtierung, komplett unaufgeregt war, er nie irgendwie aufriss oder den Anschein einer Überforderung machte. Ich würde sogar die Behauptung aufstellen, dass eine entspannter Trackday inklusive Anreise auf Achse überhaupt kein Problem darstellt.

Mega Gefühl auf der Bremse, man vergisst, dass der M9 RR ein Straßenreifen ist
Es braucht keine Furcht vor Regen mehr

Tja und nun die Frage nach dem Nassgrip, da man in unseren Breiten im Alltag immer mit einem Regenguss rechnen muss. Sicher eine der größten Herausforderung bei einem Hypersport-Gummi! Viele Rillen um Wasser aufzunehmen bietet der M8 RR nicht und wer 200 PS Bikes ordentlich anschieben möchte, der braucht eben auch eine eigentlich wasserfeindliche Mischung. Doch hier hat das deutsch-italienische Entwicklungsteam ganz Arbeit geleistet und für mich den größten Fortschritt erzielt.

Unglaublich, was im nassen alles möglich ist

Mit der Fireblade im Modus 3 ging´s auf einen gut 1 Kilometer lange Sektion der Rennstrecke die teils komplett unter Wasser gesetzt wurde. Innerhalb einiger Runden konnten wir uns immer weiter an die von Metzeler beschriebene maximale Schräglage rantasten. Runde um Runde ging es flotter voran. Der Übergang vom trockenen in den komplett nassen Bereich lief problemlos von statten, die Traktionskontrolle, welche in diesem Modus sehr früh eingreift, hatte nicht viel zu tun. Und selbst eine Vollbremsung aus zirka 140 Km/h, ließen das ABS in Ruhe. Ok – man muss gestehen, dass auf solch einer Rennstrecke das Gripniveau grundsätzlich höher ist. Dennoch konnte ich so flott um die Ecken, wie ich nie auf einer Landstraßenrunde im Regen fahren würde.

Fazit

Mission Completed – ein würdiger M7 RR Nachfolger (der übrigens weiterhin erhältlich sein soll) ist mit dem M9 RR gefunden. Man ist schnell auf Betriebstemperatur, hat ein extrem transparentes und neutrales Gefühl sowie einen schön breiten Grenzbereich. Insbesondere die Stabilität der Front, lassen Racing-Gefühle aufkommen ohne dabei Komforteinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Dazu hat Metzeler in Punkto Nassgrip mächtig nachgelegt und so einen extrem sportlichen Alltagsgummi gebrannt.

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