Fester Termin im Jahreskalender eines Journalisten, Blogger und Forenbetreiber sind die Honda Motorrad Pressetage in Weibersbrunn am Rande des wunderschönen und verträumten Spessarts. Über mehrere Tage stellen die Hondaianer aus Frankfurt das komplette deutsche Produktspektrum für ausgiebige Testfahrten bereit. Vom kleinen NSC50R Roller in sportlichem Repsol-Design über das breite Mittelfeld bis hin zum Supersportler oder gar der Gold Wing wird einem alles geboten.
Dieses Jahr tat ich mich etwas schwer mit meiner Motivation, da die Neuheiten doch etwas überschaubarer ausgefallen waren. Hatte uns doch Pressesprecher Oliver Franz noch 2014 die Africa Twin – äh sorry, True Adventure natürlich – versprochen, musste er in seiner Präsentation am Mittag dann doch das Jahr korrigieren. Tja, Honda will hier sicher einen würdigen und ausgereiften Nachfolger der Wüstenlegende präsentieren – man spürte aber schon, dass das Bike in den Startlöchern steht und wir bald mehr von ihr sehen werden.
Im Grunde richtig interessant war für mich nur die VFR800X Crossrunner – endlich ein richtiges Motorrad mit einer knackigen Front und freiem Blick auf das V4-Triebwerk. So ging es also gleich zusammen mit ihrer sportlichen Schwester VFR800F auf Tour. Befeuert werden beide durch einen 782ccm 90-Grad V4-Motor mit variablen Ventilsteuerung (VTEC). Diese sorgt für einen satten Drehmomentverlauf unterhalb 6.500 U/Min, da hier 2-Ventile pro Zylinder zum Einsatz kommen während darüber derer vier ihre Arbeit verrichten. Das umschalten zwischen beiden Steuerungen erfolgt rein mechanisch durch Anheben einer zweiten Nockenwelle mit Hilfe ausgeklügelter Hydraulik-/Federsysteme. Unterstrichen wird dieser Vorgang mit mehr Vortrieb und einer deutlich kernigeren Geräuschkulisse.
106PS bei 242Kg sind zwar nicht gerade üppig, dennoch reichen sie für zügiges cruisen und einem Verbrauch um 5,5 Liter vollkommen aus. Honda schafft es auch immer wieder Bikes zu entwickeln, auf denen man sich vom Start weg wohl fühlt. So finden auf der Crossrunner große wie kleine Fahrer ihren Platz – selbst mit 1,65 kommt man im Stand noch gut mit beiden Beinen auf den Boden. Das für eine 800er durchaus hohe Gewicht beeinträchtigt beim Fahren keineswegs. Die X lässt sich super handlich und präzise auf verschlungenen Straßen bewegen, trotzt jeder Unebenheit und gibt dem Fahrer die nötige Sicherheit. Die 3-stufige Tranktionskontroll, welche auch komplett abschaltbar ist, sowie das ABS tragen ihren Anteil bei. Im Cockpit glitzert eine goldene Digitalanzeige die auch bei direkter Sonneneinstrahlung sehr gut ablesbar ist. Ein Sahnestück in der Testmaschine war der Schaltassistent, welcher den umfangreihen Zubehörkatalog füllt. Dieser Arbeit dermaßen leichtgängig und präzise – absoluter Wahnsinn!
Beide VFRs sind eine super Reisebegleitung. Wer es sportlich mag, der greift zur F, wer es bequemer und aufrechter liebt wird mit der X bestens versorgt sein. Fakt ist, dass der V4 tadellos arbeitet und Honda hier ein weiteres mal seine Kompetenz bewiesen hat – warum eigentlich nicht mal in einer Fireblade?!
Nach der Kleinen, ging´s gleich mit der Großen DCT VFR1200X Crosstourer weiter. Ein wirklich gutes Motorrad, welches durch den potenten 1237ccm V4 ordentlich angetrieben wird. Jedoch fühlte ich mich auf dem Crossrunner irgendwie heimischer. Die 285Kg der X mit Doppelkumplungsgetriebe machen sich bei Fahren zwar nicht wirklich bemerkbar, dennoch ist es glaub an der Zeit ihr ein paar Kilos zu optimieren und sie auf den Stand der heutigen Reiseenduros zu bringen.
Eine passende Bekleidung war diesmal recht schwer zu finden, da alle irgendwie unterwegs waren. So griffen wir zur CBR300R und ich stellte mich auf eine gemütliche Fahrt ein. Aus Weibersbrunn raus, langer leichter Linksbogen, Gasgriff des Crosstourer auf Anschlag, Traktionskontrolle regelt, DCT schaltet sauber durch – baaam! Nun hieß es warten auf die im Fireblade-Look daherkommende CBR300R. Ups – schon da? Das ging aber schnell! Nichts mit lahmer Krücke, die 31PS starke und 164Kg leichte 286ccm Einsteigersportmaschine mit serienmäßigem ABS, welche mit einem A2-Führerschein gefahren werden kann, kommt richtig spritzig und flott daher. Sie bewies mir wieder einmal, dass man erst fahren und dann urteilen sollte! Kommentar meiner „Beifahrerin“: Fühle mich wie 16, auf einem Bike das ich so gerne gehabt hätte.
Nun glichen wir den Hubraum wieder etwas an. Ich nahm gut 500 raus und sie legte 450 zu – die CBR650F und NC750S waren an der Reihe. Und wieder fiel einem als erstes das Wohlfühlgefühl auf. Hier ist alles am rechten Platz und funktioniert so wie es sein muss. Im Grunde ist die CBR650F das perfekte Aufsteigerbike nach der CBR300R. Zwar sind ihre 87PS auf dem Papier nicht gerade viel, sie reichen aber vollkommen aus, um sportliche Runden zu drehen. Die NC750S hingegen ist weniger für sportliches cruisen gedacht, sondern mehr für den Alltagsbetrieb. Sie kommt unspektakulär daher, überzeugt durch ein neutrales Fahrverhalten und hohem Gebrauchswert, insbesondere ihr großes Staufach anstelle des Tanks machen sie zum Begleiter im Alltag.
Am Nachmittag waren wir irgendwie zu langsam an den Bikes, was damit bestraft wurde, dass alle größeren Geräte vergriffen waren. Und so wagten wir mal ein Supersport-Experiment – Soziusfahrt mit der CBR1000RR Fireblade. Zuerst musste ich meine Beifahrerin etwas überzeugen und ihr versprechen gemütlich zu fahren, dann tat sie es. Unter den belustigten und bedauerten Blicken der Kollegen rollten wir vom Hof und gingen auf die lange Testrunde. Was hörte ich dann von hinten? Man hätte ja gar nicht die Ohren zwischen den Knien und 100Km könne man schon gut mitfahren. Na dann halt ich mich mal nimmer zurück. Schon kam der Nachsatz, immer würde sie es nicht tun! Lag es vielleicht an Drang des Vorderrades sich den blauen Himmel öfters mal zu betrachten? Spaß hat´s auf jeden Fall gemacht.Nun ging´s ins nächste Extrem – Roller fahren. So fiel mein Auge auf den mit modernster LED-Lichttechnik bestückten Forza 125. Besonders spannend war die Start-Stopp-Automatik, welche den Motor wie beim Auto nach wenigen Sekunden abstellt und mit meinem leichten Dreh am Gasgriff sofort startet. Sehr schön fand ich das farblich abgestimmte LCD-Cockpit und das riesige Staufach unter der Sitzbank in dem locker 2 Integralhelme Platz finden. Fahrtdynamisch gibt sich der Roller keine Blöse und liegt selbst bei 90 Sachen satt und sicher in der Kurve. Verfolgt wurde diesmal vom SH300i, der mit seinen 27PS und einer Spitzengeschwindigkeit von gut 130Km/h schnelle Roller, lehrte mir das Führten und hing an mir wie eine Klette. Mit knapp unter bzw. über 5.000 Euro, haben beide natürlich einen stolzen Preis.
Abgerundet wurde dieser tolle Testtag mit einer MSX125 Verfolgungsfahrt. Was für ein Spaßgerät – einfach nur geil! Das 100Kg leichte und 9,8PS starke Spaßgerät ala Gorilla und Monkey, geht am Start spritzig weg und macht einfach nur gute Laune – ein würdiger Abschluss.
Honda bietet für mein Dafürhalten die derzeit ausgereiftesten und alltagstauglichsten Zweiräder bis 800ccm. Darüber sind die Bikes nicht schlecht, aber einfach nicht mehr auf dem Stand des Marktes. Ob man diesen Stand benötigt ist mal dahingestellt, der Kunde möchte ihn auf jeden Fall haben und bezahlt auch dafür. Der Crossrunner ist sicherlich eine sehr gute Wahl für entspannte Touren, wobei die CBR300R mich wahnsinnig mit ihrer Spritzigkeit und dem handlichen Umgang überrascht hat. Nach dem „PS-Wahn“ der letzten Monate, war es schön zu erleben, dass man keine Spitzenleistungen und jeden Schnickschnack benötigt um das Erlebnis Motorrad zu spüren. Zuverlässigkeit und Qualität zahlen sich auf lange Sicht sicherlich mehr aus, auch wenn sie auf den ersten Blick etwas unspektakulär erscheinen – erst selber testen, dann urteilen.
Text: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘ / Bilder: Rainer Friedmann ‚Kraftrad‘, Buenos Dias (gasgriffsalat.de)
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